Gesunde Schilddrüse

Die Schilddrüse hat fast überall ihre Finger im Spiel. Sie beeinflusst Regelsysteme wie Herz-Kreislauf, Verdauung oder Wachstum.  Schilddrüsenprobleme sind von so vielen Faktoren abhängig, dass wir das Organ nie isoliert betrachten können.

Text: Sabine Hurni, Illustration: Lena Kissóczy

 


Sie sieht aus wie ein Schmetterling und steht als Symbol der warmen, strahlenden Sonnenkraft in uns selbst: die Schilddrüse. Ist sie zu aktiv, befinden sich Körper und Geist im Dauerstress. Ist sie erschöpft, fehlt die Energie und jedes Treppensteigen wird zur Hürde. Ein gesunder Lebenswandel mit genügend Schlaf und ausgewogener Ernährung kann das empfindliche Organ in Balance halten.

Die Schilddrüse ist ein kleines Organ, das sich im Hals, unterhalb des Adamsapfels befindet. So gering ihre Grösse auch ist, muss man die Schilddrüse sehr ernst nehmen. Immerhin beeinflusst sie praktisch jedes Organ des Körpers. Die Schilddrüsenhormone sind am Stoffwechsel beteiligt, regulieren die Energieproduktion, steuern die Verdauung, halten die Muskeln unter Kontrolle und prägen die Gehirnentwicklung. Die Schilddrüse hat einen Einfluss auf das Herz, unser Befinden und unsere Emotionen. Ihre Bedeutung zeigt sich auch auf Zellebene. In jeder Zelle des Körpers befinden sich Rezeptoren für bestimmte Hormone. Doch nur zwei Arten von Rezeptoren sind in allen Zellen zu finden: Jene für die Schilddrüsenhormone und die Vitamin-D-Rezeptoren. Wenn der Körper eine derart hohe Präsenz dieser Rezeptoren aufrechterhält, sind beide Hormone wohl von grösserer Wichtigkeit, als die Forschung bisher weiss.

Trotzdem müssen viele Menschen lange Zeit leiden und sich mit chronischen Beschwerden durch den Alltag kämpfen, bis endlich ein Zusammenhang mit der Schilddrüse erkannt wird. Das liegt nicht an den Fähigkeiten der Fachleute, sondern daran, dass die Schilddrüse ein Teil eines äusserst sensiblen Hormonsystems ist. Man kann sie nie isoliert betrachten, sondern immer nur als Teil des menschlichen Systems. Wie kein anderes Organ ist die Schilddrüse geprägt von der Funktion der anderen Organe, von der Beziehung einer Person zu sich selbst und der Umwelt, von äusseren Einflüssen in Form von Ernährung, Umweltgiften, Gedanken und Lebenssituationen. Das macht die Behandlung und die Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen so überaus anspruchsvoll.


Die Bedeutung von Jod

Die Schilddrüse steht in direkter Kommunikation mit der Hypophyse und dem Hypothalamus. Beides Hormondrüsen, die sich um Gehirn befinden. Sinken die Hormonwerte der Schilddrüse, regt sich zuerst der Hypothalamus. Er erkennt, dass die Werte gesunken sind und gibt der Hypophyse die Information, dass sie schilddrüsenstimulierende Hormone ausschütten soll. Diese Hormone aktivieren die Schilddrüse, damit sie mehr Schilddrüsenhormone ausschüttet. Sind die Hormonwerte zu hoch, passiert das Ganze in umgekehrter Reihenfolge.

Damit sich Schilddrüsenhormone bilden können, benötigt der Körper Jod und eine Aminosäure namens Thyrosin, an die sich die Jodmoleküle binden. Thyrosin wiederum wird aus Phenylalanin aufgebaut. Das ist eine Aminosäure, die in vielen Speisen mit hohem Proteinanteil zu finden ist. Dazu gehört Fisch, Geflügel, Milch, Joghurt, Hüttenkäse, Mandeln und Sesamsamen. Die tierischen Eiweisse erzeugen deutlich mehr Thyrosin als die pflanzlichen Eiweisse. Auch das Spurenelement Jod müssen wir über die Nahrung zu uns nehmen. Es befindet sich in natürlicher Form in Meeresfisch, Meeresfrüchten und Meeresalgen wie Kombu (Kelp), Wakame, Hiziki oder Arame. Doch auch in Kuhmilch, Käse, Joghurt, Eiern und Cranberries sind Spuren von Jod zu finden.


Die Schilddrüsenhormone

Je nachdem wie viel Jod an ein schilddrüsenstimulierendes Hormon (TSH) gebunden ist, ergibt sich die Bezeichnung T1 bis T4. Zu 80 Prozent bestehen die Schilddrüsenhormone aus T4, zu 15 Prozent aus T3. Die übrigen fünf Prozent setzen sich aus T1 und T2 zusammen, welche aufgrund des vermeintlich unbedeutenden Anteils meist unerwähnt bleiben. Erst in den letzten Jahren begann die Forschung damit, sich näher mit diesen beiden Hormonen zu befassen. Obwohl der Körper mit 80 Prozent eine sehr grosse Menge an T4 produziert, kann er mit dieser Art von Schilddrüsenhormon gar nichts anfangen. Es muss in der Leber und im Darm von den Darmbakterien zuerst in T3 umgewandelt werden, damit es von den Zellen aufgenommen werden kann.

Vom Schilddrüsenhormon T3 gibt es zwei Formen. Das aktive T3 und das inaktive rT3. In Zeiten von Stress, Krankheiten, extremen Diäten und chronischen Erkrankungen produziert der Körper mehr vom inaktiven rT3-Hormon, wie Frau Dr. Marianne Teitelbaum in ihrem Buch «Ayurveda für die Schilddrüse» schreibt. Sie nennt das inaktive rT3 Winterschlafhormon: In Zeiten von Stress und chronischer Krankheit fährt es den Stoffwechsel runter, um Energie zu sparen. Dies, indem sich die inaktiven rT3 auf die T3-Rezeptoren in in den Zellen setzen. So sind diese Schaltstellen besetzt und das aktive T3 kann seine Aufgabe nicht erfüllen. Nimmt jemand Schilddrüsenmedikamente ein und befindet sich gleichzeitig in einer Stresssituation, wird diese Person weiterhin Beschwerden haben, weil zu viel inaktives rT3 die Rezeptoren besetzt.


Grundursachen einer Fehlfunktion
der Schilddrüse

Weil der Darm und die Leber einen grossen Teil der Schilddrüsenhormone aktivieren, spielen diese zwei Organe eine wichtige Rolle bei der Gesunderhaltung der Schilddrüse. Ist die Darmflora durch die Aufnahme von Antibiotika oder in Folge von einseitiger und ballaststoffarmer Ernährung geschwächt, hat dies einen Einfluss auf die Schilddrüse. Dasselbe gilt für eine Leber, die aufgrund von Substanzen, wie Medikamenten, Koffein, Alkohol, Umweltgiften und Fetten, die sie täglich verarbeiten muss, überlastet ist. Nur wenn die Leber und der Darm vollumfänglich funktionstüchtig sind, können sie die T4-Schilddrüsenhormone in die aktive Form T3 umwandeln. Die Gesunderhaltung von Leber und Darm gehört aus Sicht der Naturheilkunde zu jeder Schilddrüsentherapie mit dazu.

« Die Schilddrüsenhormone T1 bis T4 spielen eine entscheidende Rolle im Stoffwechsel. »


Aus Sicht der östlichen Lehre, insbesondere der indischen Naturheilkunde Ayurveda, ist im Frühstadium einer Schilddrüsenerkrankung häufig eine Disbalance der Elemente Luft und Raum (Vata) vorhanden. Das kann zuerst zu einer Überfunktion, dann zu einer Erschöpfung und später zu einer Unterfunktion der Schilddrüse führen. Menschen mit luftiger Energie, haben die Angewohnheit, sehr aktiv zu sein und ununterbrochen zu Reden. Mit diesem Schwall an Worten und der uneingeschränkten Aktivität verschlimmern sich jedoch die Schilddrüsenprobleme. Das Hormonsystem, insbesondere die Nebennieren werden geschwächt. Um hier das Steuer anzusetzen und das erhöhte Luftelement zu beruhigen, braucht der Körper viel Ruhe, regelmässige Routine bei den Essens- und Schlafenszeiten, Nachtruhe um 22 Uhr, Entspannungsübungen, eine Ernährung mit ölhaltigen Lebensmitteln wie Nüssen, Saaten, Frischkäse und Olivenöl, gekochte Speisen, warme Ölmassagen, Spaziergänge und warme Kleidung.


Belastung durch Schwermetalle,
Elektrosmog und schwere Kost

Fehlen die zentralen Nährstoffe im Essen, aufgrund von Diäten oder einseitigen Ernährungsweisen, leidet der Umwandlungsprozess von T4 zu T3 ebenfalls. Wichtig sind Jod, Eisen, Magnesium, Selen, Zink, Vitamin A, Vitamin B12 und Vitamin D. Mit möglichst frischer, naturbelassener, schonend zubereiteter, abwechslungsreicher und vollwertiger Nahrung können diese Nährstoffe über die tägliche Ernährung zugeführt werden.

Auch Entzündungen im Körper verhindern die Transformation von T4 in T3 und den Transport von T3 zu den Zellen. Ebenso Schwermetallbelastungen, Fluoride aus Trinkwasser und Zahnpaste, Elektrosmog, anhaltender Stress der Nebennieren und eine Ernährung, die reich an nicht-fermentierten Sojaprodukten wie Sojajoghurt, Tofu, Sojamilch und Edamame ist. Ob Soja einen Einfluss auf die Schilddrüsenfunktion hat, ist umstritten. Tatsache ist, dass nicht-fermentierte Sojaprodukte einen hohen Anteil an Isoflavonen enthalten, welche als Phytoöstrogene gelten und somit das Hormonsystem beeinflussen können. Wenn das empfindliche Hormonsystem ohnehin schon in Schieflage ist, macht es vermutlich Sinn, diese Produktegruppe weitgehend zu meiden oder zumindest stark zu reduzieren.

Gerät die Schilddrüse aus der Balance, empfiehlt die indische Naturheilkunde Ayurveda, wie auch andere ganzheitlich ausgerichtete Heilmethoden, regelmässige Reinigungen durchzuführen. In Form von Detox-Tagen, die man einmal wöchentlich durchführt oder auch die tiefgehenden Pancha-Karma-Kuren unter fachlicher Begleitung. Dazu kommt, dass die Darmflora mit wertvollen Ballaststoffen und lebenden Bakterienkulturen unterstützt wird und die Ernährung so abwechslungsreich wie möglich ist. Der regelmässige, wenn möglich tägliche, Aufenthalt in der Natur reinigt das Energiefeld, erdet und wirkt ausgleichend. Am wichtigsten jedoch ist der Schlaf: Gönnen Sie sich und Ihrer Schilddrüse ab 22 Uhr die wohlverdiente Pause.

« Eine ganzheitliche Betrachtung der Schilddrüse erfordert körperliche und emotionale Massnahmen für eine umfassende Heilung. »


Die Psyche und die Schilddrüse

Die Schilddrüse und das Nervensystem arbeiten eng zusammen. Der mentale Zustand eines Menschen wirkt sich direkt auf das Nerven- und das Hormonsystem aus. Ungelöste Konflikte, eine unbefriedigende Lebenssituation, Sorgen und Ängste können die gesunde Funktion der Schilddrüse unbewusst beeinflussen. Umgekehrt stärkt die Psychohygiene den Zustand des Nerven- und Hormonsystems. Bewegung, Meditation, Entspannung, frühes Zubettgehen und eine Reduktion von Sinnesreizen tun der Schilddrüse, der Seele und dem Geist gut. Kaum ein Organ erfordert eine derart ganzheitliche Therapie wie die Schilddrüse. Sie lehrt uns, vernetzt zu denken, zu akzeptieren, dass das Leben einem stetigen Wandel unterworfen ist und dass die Gedanken, der Atem und der Körper eine Einheit bilden.

Quellenangaben und weiterführende Informationen:

«Ayurveda für die Schilddrüse. Natürlich, sanft und effektiv Hashimoto, Hyperthyreose und Hypothyreose heilen» von Marianne Teitelbaum 

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